Das vernetzte ICH – Umgang mit modernen Medien

Grafik, Linien im Kopf

Multitasking ist das Zauberwort der Moderne, und längst haben das Internet und die vielseitigen Handys uns weisgemacht die letzte Informationslücke schließen zu können.

Im digitalen Zeitalter kommen Informationen nicht mehr mit Boten auf gesattelten Pferden, sondern in Bruchteilen von Sekunden lassen sie uns Teil haben am Geschehen der Welt. Wir sind informiert, stets up to date.

Doch was einerseits ein Segen ist, kann ebenso auch als Fluch betrachtet werden, denn im Namen der Vernetzung erobern die kleinen und großen Informationsgeräte ungefragt unser Leben. Oft werden wir berieselt, unterbrochen und gestört, stets, ständig und überall sind wir bereit eingehende Mails, SMS oder Anrufe entgegen zu nehmen oder zu beantworten. Wir sind sozusagen im Standbymodus. Wir halten uns, wie das Wort aus dem Englischen übertragen sagt, betriebsbereit für eingehende Informationen, tragen unser Handy wie ein kostbares Gut in eigens dafür vorgesehenen Hüllen überall hin.

Dabei wissen wir doch längst, dass die heimlichen Stromfresser des Haushaltes wie Fernseher, Videorekorder, Steckernetzteile, Router u.a. im Standbymodus bei einer vierköpfigen Familie beispielsweise jährlich durchschnittlich für 90 € Strom verbrauchen. Sie kosten folglich Geld ohne effizienten Nutzen zu bringen. Fragt sich demnach: Raubt uns unser kommunikativer Standbymodus Energie, die an anderen Stellen fehlt? In Beziehungen, am Arbeitsplatz oder einfach ganz für uns allein? Was macht das mit uns, ständig unter Strom zu sein? Werden wir als Individuen mit unendlichen Möglichkeiten durch unsere technisch vernetzen Welten wirklich effizienter, produktiver und vor allem kommunikativer? Oder werden wir als Herr Simser und Frau Mailer bis zur Besinnungslosigkeit in einem sich ständig drehenden Karussell an Informationen hin und her geschleudert? Wir sind an die Welt gewortet und der Gedanke, wonach soziales Handeln mit subjektivem Sinn verbunden ist, geht auf den Soziologen Max Weber zurück und verliert keinesfalls an Bedeutung. Nicht jede Kommunikation schließt jedoch soziales Handeln mit ein. In einer vernetzten, globalisierten Welt, in der das Mobiltelefon zum Joystick des Lebens geworden ist, wird zwar unentwegt kommuniziert aber wenig zwischenmenschlich interagiert. Wer sich verständigen will und verstanden werden will, braucht mehr als Zeichen und Symbole in Wort und Schrift, der braucht Zeit zum Austausch zum Zuhören und zum Verweilen.

Den vereinzelten Masseneremiten nannte der Philosoph Günther Anders kritisch den vom Fernsehen geformten Menschentypus. Zieht man hier eine Parallele, kommt man zum ständig kommunizierenden aber zwischenmenschlich sozial verarmten modernen Menschen.

Ein intensives persönliches Gespräch ist spätestens nach der ersten Handyunterbrechung gestört – auch wenn wir dann mit zwei Menschen zur gleichen Zeit in Aktion gewesen sind, geht etwas verloren, denn viel kommunizieren impliziert nicht gleichzeitig viel gesagt zu haben. Mehr ist nicht immer mehr und macht nicht automatisch zufriedener. Das gilt auch für den Eingang an Informationen jeglicher Art (Mails, Nachrichten, Sonderangebote etc.). Je größer die Auswahl und je mehr Handlungsmöglichkeiten vorhanden sind, desto schwieriger wird es Entscheidungen zu treffen, das wissen wir aus großen Supermärkten mit für uns unüberschaubaren Sortimenten. Je mehr Informationen uns also zur Verfügung stehen desto mehr Zeit verwenden wir auf deren Auswahl und auch der Glaube, parallel ausgeführte Arbeitsgänge machen den Tag effektiver, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Irrglaube. Multitasking ist eine Begrifflichkeit aus den Computerwissenschaften und bezeichnet den Vorgang eines Betriebssystems zeitgleich Prozesse zu aktivieren. Tatsächlich aber laufen diese Prozesse immer seriell ab. Lediglich der Wechsel zwischen einzelnen Prozessen geschieht für den Menschen nicht wahrnehmbar schnell. Trotz ständigem Wechsel zwischen unterschiedlichen Aufgaben kann auch der Menschen nur seriell Aufgaben abarbeiten, zudem kostet der ständige Wechsel doppelt so viel Zeit wie die Bearbeitung der Aufgaben nacheinander und steigert die Fehlerquote und den Stress.

Statt uns also im Karussell der Informationen hin und her schleudern zu lassen ist Auswahl und selbstbestimmte Kommunikation gefragt. Einige Fenster von den zu vielen gilt es nicht nur auf dem Bildschirm zu schließen, denn die Technik kann das nicht für uns tun. Klicken wir uns nicht »mit der Maus« durchs Leben, sondern werden wir sensibler für uns und unser Gegenüber. Statt Gespräche für eingehende Handyanrufe und SMS, und Arbeitsgänge durch eintreffende E-Mails zu unterbrechen besteht die Möglichkeit das Jeweilige in Ruhe und effizient zu Ende zu führen. Ein Mann, der – Dank moderner Technik immer erreichbar – nun am frühen Abend zu Hause sein kann, um mit seiner Frau vielleicht auszugehen, gewinnt. Ob das die Begleiterin aber auch so sieht, wenn er nur physisch anwesend ist und mehr auf sein Handy achtet als auf sie, bleibt hier offen. Wir sind es, die in Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit Kommunikationstechnologien nutzen.

Wir sind es, die sich handyfreie Zonen schaffen müssen, nicht nur in Flugzeugen! Wir sind es auch, die vermutlich wieder auf die Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit zurückkommen müssen. Denn die Arbeit mit ihren mobilen verführerischen Technologien ist der moderne Hausbesetzer privater Freiräume, immer und überall erreichbar sind wir letztlich nirgendwo.