Traurig oder depressiv?

Foto einer Frau

Viele Menschen kennen das Gefühl von Niedergeschlagenheit. Nichts scheint mehr Spaß zu machen, Tränen fließen, Gedanken kreisen, und es stellt sich nicht all zu selten die Frage nach dem Sinn des Lebens. Was ist da los – fragt sich so Mancher – habe ich eine Depression oder bin ich traurig und finde keinen guten Umgang damit? Muss ich zu einem Psychiater, einem Psychologen oder soll ich mit meinem Hausarzt oder einem Freund darüber reden?

Die Ähnlichkeit zwischen den Phänomenen Depression und Trauer macht es Betroffenen und Laien häufig schwer, das Eine vom Anderen zu unterscheiden. Während die Depression medizinisch den affektiven Störungen zugeordnet wird und in den gegenwärtigen Klassifikationssystemen psychischer Erkrankungen anhand ihrer Symptome und ihrem Verlauf als Diagnose gestellt werden kann, handelt es sich bei Trauer um einen natürlichen Prozess.

Die Depression kann in unterschiedlichen Schweregraden (leicht, mittel, schwer) und Formen auftreten und betrifft Veränderungen in den Bereichen Gefühl und Stimmung, Denkinhalte und Einstellungen, Antrieb und Interessen sowie vegetative Störungen. Symptome sind z.B. depressive Stimmung, Interessen- und Freudverlust und erhöhte Ermüdbarkeit. Symptome müssen mindestens zwei Wochen lang auftreten um zu einer Diagnose zu führen, die durch spezialisierte Diagnostik differenziert werden kann.

Die Ursachen für eine Depression können manigfaltig sein. Möglich sind u.a. genetische Prädispositionen, Veränderungen des Stoffwechsels oder der Lebensbedingungen, Nebenwirkungen von Medikamenten und anderen Erkrankungen. Auch Stress kann zu einer – dem Burnout vorgelagerten – Depression führen. Meistens ist die Depression ein Zusammenspiel vieler einzelner Bausteine, das in Isolation, Sinnlosigkeit, Schuldgefühlen und einer gleichbleibend niedergedrückten Stimmung (deprimere – nieder drücken) mündet.

Verwirrung stiftet oft die Tatsache, dass Symptome der leichten Depression denen der Trauer ähnlich oder gar mit diesen identisch sind. Die Zeichen der Trauer lassen sich aber als sinnvolle Reaktionen auf ein Ereignis, einen Zustand, einen Verlust oder aber gravierende Veränderungen (von Fähigkeiten, Körperteilen, der eigenen Unversehrtheit, Hoffnung, Perspektiven, Gesundheit, Angehörigen usw.) aufschließen.

Während eine schwere Depression nicht ohne Therapie und oft auch nicht ohne Medikamente auskommt, stellen Trauerreaktionen einen Anpassungsvorgang an die Veränderungen und Verluste dar. Die Realisierung der Verluste und Veränderungen wie z.B. der Tod eines lieben Menschen, eine schwere Erkrankung wie z.B. Krebs, der Verlust der Arbeitsplatzes oder eine Trennung u.a. sind mit dem Auftreten von Gefühlen begleitet, die die dahinter liegenden seelischen Schmerzen zum Ausdruck bringen. Diesen Schmerzen durch Psychopharmaka beizukommen hieße sie nicht wahr haben wollen. Trauern bedeutet auch Gefühle zu zulassen, denn Trauernde sind nicht von einer inneren Leere und einer gefühlten Gefühllosigkeit betroffen wie Menschen die an einer schweren Depression erkrankt sind. Trauernde können im Gegensatz zu ihnen weinen und haben Grund dazu.

Eins haben Trauer und Depression allerdings gemeinsam: Sie erfordern Verständnis, Geduld, menschliche Nähe und authentische Kommunikation. Trauer ist kein Anstoß für eine klinische Diagnose der Depression, sondern Inhalt des Lebens. Es gehört zur Natur des Menschen zu trauern. Trauerprozesse können unterstützend begleitet werden, müssen aber nicht behandelt werden. Es ist wichtig, Trauernden die Möglichkeit zu geben selbst zu sprechen und nicht über sich zu sprechen. In diesem selbst sprechen sind Tränen ein häufiger Ausdruck der Befindlichkeit. Unterstützend und begleitend können hier Freunde, Angehörige, Ärzte und auch Psychologen tätig werden. Schlussendlich hält auch Trauer sich nicht an Vorgaben, sie ist individuell wie das Individuum selbst. Jeder trauert auf seine Weise so lange er eben braucht, jedoch zeitlich begrenzt.