Burnout oder die Unfähigkeit nein zu sagen?

Glühbirnen, eine davon leuchtet

1974 führte der Psychoanalytiker H. Freudenberg das Wort Burnout ein und beschrieb damit ein von ihm beobachtetes Phänomen der Erschöpfung bei helfenden Berufsgruppen. In der Moderne angekommen scheint Burnout ein Phänomen mit steigenden Zahlen.

Mittlerweile sind es nicht mehr nur die helfenden Berufe, sondern Burnout zieht sich durch alle Bevölkerungsgruppen. Hausfrauen/männer, Mütter/Väter sind ebenso betroffen wie Rechtsanwälte/innen und Steuerberater/innen. Folgt man den Experten, ist Burnout von drei wesentlichen Merkmalen gekennzeichnet. Emotionale Erschöpfung, reduziertes Engagement gegenüber Partnern, Kunden, Mitarbeitern oder Verwandten, genannt Depersonalisation und abnehmende Leistungsfähigkeit.

Zudem läuft Burnout, nach Aussagen der Experten, in drei Phasen ab. Die erste Phase ist kaum von Leidensdruck geprägt, und Betroffene sind vermehrt ärgerlich, aggressiv, jedoch sehr aktiv in ihrem Tun. In Phase zwei nimmt das Gefühl, immer mehr unter Zeitdruck zu stehen, stetig zu. Betroffene flüchten zuweilen in sportliche Aktivitäten, nehmen sich selbst zunehmend weniger wahr, Kontakte werden verringert oder gar vermieden und immer öfter kommt es zu einem diffusen Gefühl von Angst. In der dritten Phase entsteht erstmals ein Bewusstsein für das Leiden an den Symptomen, und der Leidensdruck wächst. In dieser Phase verringert sich die eigene Motivation. Alkohol, Nikotin, Tabletten oder andere Drogen werden von manchen Betroffenen als Ausweg gewählt.

Auftretende Symptome in den drei Phasen sind vielschichtig und betreffen das Verhalten (z.B. Partnerschaftsprobleme, menschliche Distanzierung, abnehmende Flexibilität und Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwäche) ebenso wie den Körper (z.B. Herzrasen, Kopfschmerzen, Banalinfektionen, Übelkeit, Müdigkeit, Rückenschmerzen, Schlafstörungen) und das Gefühl (z.B. Gefühl der Unentbehrlichkeit, Stimmungsschwankungen, Ungeduld, Gereiztheit, Selbstwertprobleme, Abstumpfen).

Burnoutförderlich wirken neben Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Perfektionismus die Nichterfüllung privater und beruflicher Rollen, unbewusste nicht erreichte Ziele, aber auch die Unmöglichkeit belastende Situationen zu verlassen oder finanzielle Probleme. Auf die Frage nach den Ursachen für das Ausgebranntsein wird von Betroffenen oftmals angegeben keine Zeit zu haben.

Zeit jedoch ist nicht zu haben. Über die Zeit haben sich schon große Philosophen wie Augustinus Gedanken gemacht. Michael Ende hat mit der unendlichen Geschichte zu zeigen versucht, dass Zeit ein Zustand im Jetzt ist und nicht gesammelt oder gespart werden kann. Bei Fragen, warum man sich unter Zeitdruck setzt, kann ein Therapeut/Coach hilfreich sein. Richtig und wichtig ist: Es gibt kein Mehr an Zeit, sondern nur ein gutes Zeitmanagement. Mit der Jagd nach der Zeit entflieht ein an Burnout erkrankter Mensch, stets ist er im Morgen oder im Gestern. Gedanken kreisen um das, was morgen alles getan werden muss weil es gestern nicht geschafft wurde, nicht gut genug war oder liegen geblieben ist.

Wer aber nicht in der Gegenwart, nicht im Hier und Jetzt lebt, der lässt sich leben. Wer sein Leben nicht selbst bestimmt, dem wird es bestimmt, das wusste schon Marx. Und so spielt auch die Selbstbestimmung eine nicht unwesentliche Rolle bei Burnout, denn das Unvermögen nein zu sagen, zu delegieren, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen begünstigen ein Burnout.

Der Zustand der Erschöpfung und Leere ist nicht zu unterschätzen. Zur Vorbeugung genügt meist eine gute Selbstsorge und Aufmerksamkeit für eigene Bedürfnisse. Wer langsam ins Burnout rutscht oder erste Anzeichen bemerkt, für den ist Hilfe durchaus ratsam. Burnout kann durch Arbeitsunfähigkeit oder Frühverrentung nicht nur erhebliche finanzielle Löcher schlagen, sondern im schlimmsten Fall die Gesundheit, die Familie, Freunde und die Lebensfreude kosten. Gefährlich ist Burnout, weil es zunächst unbemerkt bleibt, sehr undifferenziert daher kommt, und der Leidensdruck erst im späten Stadium erkennbar wird. Die Zeit zwischen dem ersten diffusen Gefühl, alles nicht mehr zu schaffen, erschöpft zu sein bis zum Outing kann Monate oder gar Jahre betragen.

Teilziele einer Therapie oder eines Coachings können die Überprüfung der eigenen Werte und Ziele auf ihre Erreichbarkeit ebenso sein wie die Entlarvung von Krafträubern, die Erweiterung der Stresstoleranz, souveränes Zeitmanagement und die Überprüfung eigener Rollenmuster. Das Hauptziel jedoch, mit oder ohne Hilfe, liegt im wahrsten Sinne des Wortes in der Mitte. Von jedem nicht zu viel oder zu wenig schafft Ausgeglichenheit. Denn wer immer nur gibt, ist irgendwann leer, dem geht sozusagen das Licht aus.